Stephan Weil: Eine Milliarde für Niedersächsisches Sofortprogramm Energiekrise – „Machen, was gemacht werden muss!“
Für den Fall seiner Wiederwahl nach der Landtagswahl am 9. Oktober hat SPD-Spitzenkandidat und Ministerpräsident Stephan Weil ein Niedersächsisches Sofortprogramm in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro angekündigt, mit dem die Folgen der Energiekrise in Niedersachsen bekämpft werden sollen. Zugleich gab er einen Ausblick auf die weitere Krisenbekämpfung durch das Land im nächsten Jahr.
Stephan Weil: „Nach meiner Überzeugung steuert Deutschland auf die größte Herausforderung der letzten Jahrzehnte zu. Die Energiekrise darf nicht zu einer sozialen und wirtschaftlichen Krise werden und es darf keine politische Krise folgen. Notwendig sind jetzt größte staatliche Anstrengungen, der Staat muss in einer solchen Situation an der Seite seiner Bürgerinnen und Bürger und auch an der Seite der Unternehmen stehen. In Niedersachsen wollen wir dabei vorangehen, aber wir wissen auch: Letztlich kann in dieser Lage nur ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern in Betracht kommen.“
Bisherige Entlastungen müssen ergänzt werden
Die bislang beschlossenen beiden Entlastungsprogramme sowie das von der Bundesregierung vorgeschlagene Fünfundsechzig-Milliarden-Programm konzentrieren sich darauf, Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen. Die damit ausgelösten Hilfen sind beträchtlich: Insgesamt werden ca. 95 Milliarden Euro mobilisiert, von denen das Land Niedersachsen 2,3 Milliarden Euro in diesem und im nächsten Jahr tragen muss. Die zusätzlichen Belastungen der Privathaushalte werden damit nach qualifizierten Abschätzungen je nach sozialer Lage durchschnittlich etwa um die Hälfte bis hin zu etwa fünfundsiebzig Prozent reduziert.
Dennoch ist offenkundig, dass weitere Anstrengungen notwendig sind. Auf die Wirtschaft kommen erhebliche Belastungen zu, die erhebliche Teile des Mittelstandes, aber auch im internationalen Wettbewerb stehende Industrieunternehmen bedrohen. Und schließlich wird immer deutlicher, dass auch viele weitere für unsere Gesellschaft unersetzliche Einrichtungen, Vereine und Verbände Unterstützung benötigen. Deswegen kann es trotz der großen, bisher unternommenen Anstrengungen von Bund und Ländern nicht bei den bisherigen Unterstützungsmaßnahmen bleiben. Weitere Maßnahmen sind zwingend notwendig, vor allem im Sinne eines Energiepreisdeckels für Gas und Strom.
Sofortprogramm des Landes Niedersachsen
Eine nachhaltige Krisenbekämpfung ist nur in einem abgestimmten Vorgehen von Bund und Ländern möglich, die Umsetzung zahlreicher vom Bund eingeleiteter Maßnahmen ist jedoch realistischerweise kaum vor dem Jahreswechsel zu erwarten. Das Land Niedersachsen muss sich deswegen darauf konzentrieren, Überbrückungshilfe zu leisten und drohende Schäden in diesem Jahr zu verhindern und zugleich Weichen für das folgende Jahr zu stellen. Aus heutiger Sicht geht es dabei um folgende Schwerpunkte:
Soziale Notlagen abfedern und Teilhabe ermöglichen: 220 Mio. Euro
Mit der Erklärung ‚Niedersachsen – Gemeinsam durch die Energiekrise’ hat sich die Landesregierung bereits verpflichtet, einen Betrag von 100 Mio. Euro für die Mitfinanzierung lokaler oder regionaler Härtefallfonds und eine Stärkung der Beratungskapazitäten (Verbraucherschutz, Verschuldung, Migration und Energieverbrauch) sowie für die Arbeit der Tafeln zur Verfügung zu stellen. Hinzu tritt der zu erwartende Landesanteil an dem Nachfolgemodell für das 9‑Euro-Ticket, von dem vor allem die kleinen Einkommen profitieren. Hierfür werden ca. 120 Mio. Euro benötigt.
Wirtschaftshilfen für kleine und mittlere Unternehmen: 200 Mio. Euro
Für die notwendige Unterstützung von Unternehmen, die durch die Energiekrise in ihrem Bestand bedroht sind, ist eine aktive Politik des Bundes unabdingbar. Um vermeidbaren Krisen gerade in kleinen und mittleren Unternehmen zu begegnen, die bereits im Laufe dieses Jahres oder zu Jahresbeginn drohen, soll ein Unterstützungsprogramm des Landes in Höhe von 200 Mio. Euro aufgelegt werden.
Gesundheit, Pflege, soziale Infrastruktur: 200 Mio. Euro
Der gesamte soziale Sektor steht aktuell unter erheblichem Druck – insbesondere wegen der Energiepreissteigerungen. Das Land muss im Vorgriff auf allgemeine Regelungen vor allem dafür Sorge tragen, dass kurzfristig keine Strukturabbrüche drohen. So ist zwar der notwendige Inflationsausgleich für Krankenhäuser und Pflegeheime auf der Bundesebene durchzusetzen, auch gestiegene Baukosten tragen aber zu den großen Sorgen der Krankenhäuser bei. Um hierbei zu unterstützen sind durch das Land zusätzlich 50 Mio. Euro bereitzustellen. Einrichtungen und Dienste der freien Wohlfahrtspflege sind ebenso wie in der Pandemie abzusichern (30 Mio. Euro). Das betrifft insbesondere auch Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. An den Hochschulen drohen steigende Mensa-Preise und höhere Mieten in den Studentenwohnheimen, die durch ein Programm in Höhe von 30 Mio. Euro abgefedert werden sollen. Um auch weiteren Notlagen gerecht werden zu können, wird der notwendige Gesamtbetrag insgesamt auf 200 Mio. Euro geschätzt.
Kultur- und Sporteinrichtungen: 100 Mio. Euro
Kultur und Sport sind kostenseitig ebenfalls stark belastet, gleichzeitig sind die Möglichkeiten begrenzt, die Mitgliedsbeiträge oder Eintrittspreise zu erhöhen. Das gilt für Kultureinrichtungen und Sportvereine, aber auch für Veranstaltungen. In diesen Bereichen ist deswegen vielfach die Existenz abzusichern, wozu das Land einen Beitrag von insgesamt 100 Mio. Euro leisten soll.
Kita und Schule: 250 Mio. Euro
Um die (vorwiegend kommunalen) Schulträger sowie die Träger von Kindertagesstätten und anderer Betreuungsangebote zu unterstützen, sollen Heizkostenzuschüsse vorgesehen werden (ca. 100 Mio. Euro). Analog zu den Hochschulen soll das Mittagessen in den Ganztagsbereichen von Schule und Kita preisstabil gehalten werden (ca. 100 Mio. Euro).Viele weitere Bereiche bedürfen zwingend eines vom Bund zur Verfügung gestellten Rahmens. Das betrifft etwa einen Schutzschirm für Stadtwerke, der notwendig ist, um eine stabile Energieversorgung überall zu gewährleisten und einer weiteren Verunsicherung vorzubeugen. Dabei handelt es sich vor allem um die Bereitstellung von Sicherheiten, die die Energiebeschaffung durch die Stadtwerke absichern müssen.
Finanzierung
Die genannten Maßnahmen sollen nach Konstituierung des neuen Landtages und der neuen Landesregierung durch einen Nachtragshaushalt abgesichert werden. Hierfür kommt entweder das Dezemberplenum des Landtages oder eine Sondersitzung des Landtages im November in Betracht. Die Haushaltsentwicklung des laufenden Jahres lässt diese Zusatzausgaben nach dem bisherigen Verlauf des Jahres realistischerweise zu. Die Steuereinnahmen des Landes liegen voraussichtlich – auch inflationsbedingt – deutlich über den Erwartungen.
Stephan Weil: „Für die SPD ist völlig klar, dass solche Einnahmen gerade in Notzeiten zurückgegeben werden müssen. Trotz der Belastungen des Landeshaushalts durch die Beteiligung an den bisher beschlossenen Entlastungspaketen und trotz der Kostensteigerungen, die auch das Land zu tragen hat, ist ein deutlicher Überschuss am Jahresende zu erwarten. Dieser Überschuss kann bereits in einen Nachtragshaushalt integriert werden.“Anders wird sich aus heutiger Sicht die Haushaltslage im nächsten und übernächsten Jahr darstellen: Schon mit der nächsten Steuerschätzung Ende Oktober sind deutlich geringere Steuereinnahmen für die Folgejahre zu erwarten, zugleich werden die beschlossenen und vorgeschlagenen Entlastungsprogramme den Landeshaushalt strukturell erheblich belasten. Ohne die Möglichkeit zur Kreditaufnahme wie in der Pandemie ist deswegen eine Fortsetzung von Hilfsmaßnahmen des Landes im Jahr 2023 kaum möglich. „Nach meiner tiefen Überzeugung müssen Bund und Länder gemeinsam feststellen, dass wir uns in einer Notlage im Sinne der Schuldenbremse befinden. Anderenfalls werden die Länder nicht imstande sein, auch mittelfristig noch einen eigenen Beitrag zur Krisenbekämpfung des Gesamtstaates zu leisten. In dieser Frage Einigkeit zu erzielen, ist meines Erachtens die wichtigste Aufgabe der Ministerpräsidentenkonferenz Ende September 2022. Wann, wenn nicht jetzt haben wir eine Notlage? Der Staat muss in einer solchen Situation machen, was gemacht werden muss“, so Stephan Weil abschließend.