Am Mittwoch und Donnerstag ist in Brüssel eine ungewöhnliche Reisegruppe unterwegs – fast alle sechzehn Regierungschefinnen und ‑chefs aus fast allen sechzehn deutschen Ländern. Die europäische Union beeinflusst viele Bereiche der Landespolitik massiv und nimmt auf die Entwicklung in den Ländern manchmal stärker Einfluss als die Bundespolitik. Deswegen ist es aus Ländersicht geradezu zwingend, die eigenen Positionen in Brüssel darzustellen.
Im Moment gibt es dafür besonders viele Anlässe. Die EU hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Das ist aus Gründen des Klimaschutzes absolut richtig und sollte besser schon vorher der Fall sein. Aber wie genau ist dieses Ziel zu erreichen, ohne dass Bürgerinnen und Bürger überfordert werden und die europäische Wirtschaft international nicht mehr wettbewerbsfähig ist?
Ein anderes Beispiel: Wie gehen wir in Europa mit Zuwanderungen um und wie schaffen wir es, dass nicht einzelne Länder die Last der ganzen Gemeinschaft tragen müssen? Für Deutschland ist das ein sehr aktuelles Thema, denn viele Kommunen sehen sich langsam, aber sicher am Ende ihrer Möglichkeiten bei Unterbringung und Integration.
Und vielleicht noch ein Beispiel, das in Niedersachsen gerade heiß diskutiert wird: Die EU sieht für den Wolf die höchste Stufe des Artenschutzes vor. Europaweit gibt es dafür gute Gründe, aber was ist mit Regionen, die jetzt schon einen besonders hohen Wolfsbestand haben und in denen immer mehr Angriffe auf Schafherden stattfinden?
An Themen mangelt es also nicht, wenn die MPK (MinisterPräsidentenKonferenz) auf wichtige Mitglieder der EU-Kommission trifft, an der Spitze derer Präsidentin Ursula von der Leyen.
Dabei ist es nicht die Grundhaltung zu Europa, die für Diskussionen sorgen wird, denn alle Beteiligten wollen die europäische Einigung weiter vorantreiben. Das gilt für den European Green Deal ebenso wie den Versuch, endlich zu einer gemeinsamen Lösung beim Umgang mit Migration zu gelangen oder die Unterstützung der Ukraine ihrem Kampf gegen den russischen Angriff.
Aber es geht um noch mehr. Weltpolitisch ist derzeit vieles in Bewegung und Europa muss schauen, dass es wettbewerbsfähig und relevant bleibt. Dafür müssen gerade auch die Stärken gestärkt werden, zum Beispiel beim Kampf um Zukunftsindustrien. Niemand in Europa wird stärker, wenn zum Beispiel die deutsche Industrie schwächer wird. Und wir brauchen weniger europäische Detailregelungen, aber dafür mehr Spielraum für die Mitgliedsstaaten bei dem schwierigen Umstieg auf die Klimaneutralität.
Die Liste der Beispiele lässt sich noch beliebig fortsetzen und es wird ganz bestimmt nicht langweilig werden in Brüssel. Das wird ein interessanter Besuch werden, da bin ich sicher.
Ich wünsche Euch eine gute Woche.