Ostermärsche waren jahrzehntelang Teil meines Bio-Rhythmus. Das galt in den Hochzeiten der Friedensbewegung und hat sich auch danach fortgesetzt, als der Frieden in Europa immer sicherer zu werden schien, aber die Abrüstung trotzdem keine echten Fortschritte gemacht hat. Friedenssicherung schien dennoch in Europa kein echtes Problem mehr zu sein und so sind auch die Ostermärsche über die Jahre immer kleiner und immer weniger geworden.
Mit dem Jahr 2022 könnte sich das ändern, wobei noch nicht klar ist, in welche Richtung. Putins Überfall auf die Ukraine und die anhaltenden Gräueltaten, von denen wir Tag für Tag hören und lesen, bedeuten ganz sicher eine Zäsur auch für alle Menschen in Deutschland, die sich dem Frieden verpflichtet fühlen. Gegen das weltweite Auftürmen von Massenvernichtungswaffen zu sein, bleibt weiter richtig. Es beantwortet aber nicht die Frage, wie wir es mit diesem Krieg vor der eigenen Haustür halten.
„Frieden schaffen ohne Waffen“ ist leider offenkundig in Anbetracht der brutalen russischen Aggression ein frommer Wunsch. Landesbischof Ralf Meister hat in diesen Tagen mit Recht darauf hingewiesen, dass der Hinweis auf passiven Widerstand den Menschen in der Ukraine eher zynisch erscheinen müsse. Frieden ist etwas anderes als die Friedhofsruhe, die nach einem militärischen Sieg Russlands in der Ukraine zu erwarten wäre.
Wahrscheinlich wird umgekehrt ein Schuh daraus: Scheitert Russland in der Ukraine, wäre für den Frieden in ganz Europa viel gewonnen. Es wäre dann der Beweis erbracht, dass eine militärische Aggression in Europa auf einen Frieden trifft, der energisch und erfolgreich verteidigt wird. Vor diesem Hintergrund sind auch Geldzahlungen für militärische Ertüchtigung bzw. Waffenlieferungen in die Ukraine richtig. Sie helfen der Ukraine, aber auch der Verteidigung des Friedens insgesamt. Eine Grenze müssen wir allerdings dort ziehen, wo Deutschland zum Beteiligten an diesem Krieg würde – mit allen damit verbundenen großen Gefahren. Das ist auch der Hintergrund des Streits um die Lieferung von sogenannten schweren Waffen.
Für uns alle werden mit dem Krieg in der Ukraine liebgewonnene Gewissheiten über Bord geworfen, mir jedenfalls geht es so. Wer den Frieden sichern will, wird künftig sehr viel genauer die Frage beantworten müssen, wie man mit den Feinden des Friedens verfahren soll. Und wir werden uns dazu bekennen müssen, dass der Frieden Schutz braucht, dass es um einen bewaffneten Frieden gehen muss. Übrigens: Den Begriff des „Bewaffneten Friedens“ hat ein Niedersachse geprägt – Wilhelm Busch mit einem schönen Gedicht aus dem Jahr 1900 und schon lange, bevor dieses Wort in der DDR für Aufrüstung und Militarisierung der Gesellschaft missbraucht worden ist. Wir werden darüber noch viel reden müssen.
Ich wünsche Euch eine gute Woche!