„Willkommen, Wolf in Niedersachsen“ lautete im Jahre 2010 der Titel einer Broschüre des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Dreizehn Jahre später würden wahrscheinlich immer noch viele Menschen diese Aussage unterstützen, vor allem wenn sie in Ballungsräumen wohnen und es sich für sie um ein abstraktes Thema handelt. Im ländlichen Raum dagegen wird dieselbe Überschrift vielfach den Blutdruck erhöhen und großen Widerspruch auslösen.
Warum das so ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Seitdem sich von Osten her vor etwas anderthalb Jahrzehnten wieder die ersten Wölfe in Niedersachsen angesiedelt haben, hat sich viel getan. Etwa eintausendfünfhundert Wölfe, so lauten die Schätzungen, gibt es mittlerweile in Deutschland, davon zwischen vier- und fünfhundert alleine in Niedersachsen, also ein weit überproportionaler Anteil. Über vierzig Rudel gibt es in Niedersachsen, Tendenz steigend.
Das ist es aber noch nicht alleine, denn die Tiere sind natürlich nicht gleichmäßig verteilt, in den besagten Ballungsräumen, aber auch in großen Teilen des ländlichen Raums gibt nur kleine Bestände. Aus Südniedersachsen zum Beispiel ist wenig vom Wolf zu hören. Ganz anders sieht es dafür in den Regionen aus, in denen sich viele Wölfe angesiedelt haben, vor allem auch an der Küste und in der Heide. Dort gibt es dann auch spürbar mehr Nutzungskonflikte, mehr Begegnungen mit Menschen, mehr Nutztier-Risse – auch mehr Sorgen, Ängste und Proteste.
Da geht es zum einen vor allem um Schafe, aber auch um Rinder und Pferde, die immer wieder Opfer der Wölfe werden. Für Schäfer und Landwirte ist das beileibe nicht nur ein wirtschaftliches Problem, wenn sie morgens ihre getöteten, verletzten und zumindest traumatisierten Tiere vorfinden – sie fühlen sich ihren Tieren verbunden. Natürlich gibt es auch die Verpflichtung zum Herdenschutz, aber die Erfahrung hat gezeigt, dass die Wölfe immer neue Möglichkeiten finden, diesen Schutz zu überwinden. Ganz abgesehen davon, dass nicht das ganze große Agrarland Niedersachsen eingezäunt werden kann.
Betroffen fühlen sich aber auch viele andere Menschen, das belegen zum Beispiel die Diskussionen über Waldkindergärten oder die Sorge um den eigenen Hund beim Waldspaziergang. Nichtbetroffene mögen das als übertrieben abtun, aber für diese Menschen ist das eine sehr ernsthafte Einschränkung ihres Sicherheitsgefühls.
Aktuell fehlen den Behörden allerdings die Instrumente, um zumindest in Schwerpunkt-Regionen den Wolfsbestand reduzieren zu können. Zu hoch und zu undifferenziert sind die Vorgaben des Artenschutzes.
Was folgt daraus? Natürlich gibt es die Forderung, der Wolf möge ganz aus Niedersachsen vertrieben werden, was man wohl mit einer erneuten Ausrottung gleichsetzen müsste. Eine große Mehrheit der Menschen im ländlichen Raum wird aber zumindest die Erwartung haben, dass der Staat wirksame Instrumente hat, um Problemen vor Ort auch tatsächlich begegnen zu können.
Eine solche Erwartung ist allemal berechtig. Überlastete Regionen müssen die Möglichkeit haben, den Wolfsbestand zu reduzieren und können nicht warten, bis die Wölfe überall sesshaft geworden sind. Deshalb brauchen wir ein regionales Bestandsmanagement, wie es die Ampel in ihrer Koalitionsvereinbarung versprochen hat, und die entsprechenden Handlungsmöglichkeiten.
Genau darum bemühen wir uns derzeit intensiv in Berlin und in Brüssel. Leicht ist diese Diskussion nicht, denn es gilt hohe rechtliche Hürden auf Ebene der Bundes- und der europäischen Politik zu überwinden. Aber das Problem ist offenkundig und es muss gelöst werden. Deswegen werden wir sehr hartnäckig bleiben.
Ich wünsche Euch eine schöne Woche.