Als ob wir mit Corona und vielem anderem nicht schon genug Probleme hätten – mit dem Jahresanfang ist gleich noch eines dazu gekommen und wir wissen noch nicht, ob daraus eine große weitere Krise wird. Jedenfalls ist in der Zwischenzeit der Konflikt an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland weiter eskaliert, nach einem diplomatischen Intermezzo haben wieder die Falken das Sagen.
Russland macht inzwischen aus seiner Truppenkonzentration im Konfliktgebiet gar keinen Hehl mehr und die USA planen, wie denn Europa ohne Gas aus Russland versorgt werde könnte. Immer mehr unabhängige Beobachter schließen militärische Auseinandersetzungen nicht mehr aus. Es ist mindestens schon ein Stück Kalter Krieg, den wir derzeit erleben, und hoffentlich nicht mehr.
Willy Brandt wird sich im Grabe umdrehen. Vor genau fünfzig Jahren hat der erste sozialdemokratische Bundeskanzler, frisch ausgezeichnet mit dem Friedens-Nobelpreis, in einer dramatischen Auseinandersetzung seine Friedens- und Entspannungspolitik durchgesetzt und wurde übrigens dann im Herbst 1972 mit dem größten Sieg bei Bundestagwahlen belohnt, den die SPD jemals erzielt hat. Nach Jahrzehnten härtester Konfrontation zwischen Ost und West gelang es damals nach und nach Vertrauen zwischen erbitterten Gegnern zu schaffen. Und ganz nebenbei wurde in dieser Zeit die Grundlage für die Deutsche Einheit gelegt.
Vieles davon ist seitdem Kernbestandteil der deutschen Außenpolitik geblieben, auch unter Helmut Kohl und Angela Merkel. Und dabei ging es nie um reine Friedenslyrik, sondern um einen Ausgleich von Interessen. Und vor allem um die Einsicht, dass ein Großkonflikt am Ende nur Schaden hinterlässt, aber keine Gewinner.
Ein halbes Jahrhundert später hat sich daran nichts geändert. Es wäre die beste Würdigung dieses besonderen Jubiläums, wenn die deutsche (und die europäische) Diplomatie massiv dazu beitragen würde, die militärischen Drohgebärden sehr schnell zu beenden und stattdessen den seit Jahren schwelenden Konflikt in Osteuropa aufzulösen. Eine andere sinnvolle Alternative gibt es ohnehin nicht oder wie es Willy Brandt in seiner Dankesrede für den Friedensnobelpreis im Dezember 1971 formuliert hat: „Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio.“
Ich wünsche Euch eine gute Woche.