An frischer Luft besteht bei mir derzeit kein Mangel. In der letzten Woche war ich schon im Wendland und im Landkreis Helmstedt, am Montag bin ich im Landkreis Osnabrück und kurz danach geht es in den Ith und ins Bückenburgische.
Es geht um fünf Wanderungen, allesamt zwischen fünfzehn und zwanzig Kilometern lang, die ich in unterschiedlichen niedersächsischen Regionen mache. Mit dabei sind immer etwas vierzig Menschen, die eine bunte Mischung der Gesellschaft in diesen Regionen abbilden – von der DLRG-Jugend bis zum Landvolk. Es gibt viel zu sehen, viel zu schwitzen (jedenfalls bei diesen Termperaturen) und auch viel zu bereden.
Anlass ist der fünfundsiebzigste Geburtstag des Landes Niedersachsen im November. Wie schafft man es, ein solches Jubiläum nicht nur in der Landeshauptstadt bekannt zu machen, sondern auch in den vielen anderen Teilen dieses großen Landes?
Ein Teil der Antwort auf diese Frage sind diese Wanderungen und die ersten Erfahrungen zeigen schon, dass das eine richtig gute Idee gewesen ist. Nicht nur wegen der Berichterstattung, sondern vor allem auch wegen der Gespräche auf dem Weg.
Denn die Wanderungen entwickeln sich unverhofft zu so etwas Ähnlichem wie einem Stimmungsbarometer. Nicht etwa bezogen auf Wahlen – ich habe nicht die leiseste Ahnung, wen meine Wanderfreundinnen und ‑freunde wählen. Sehr wohl aber zum Stimmung in den Regionen.
Als ich vor etwa zehn Jahren aus der hannoverschen Kommunalpolitik meine ersten Schritte in die Landespolitik gemacht habe, war die Stimmung in den ländlichen Regionen eher in Moll. In ganz unterschiedlichen Gegenden machte man sich Sorgen um die Zukunft, um die Abwanderung der jungen Leute in die großen Städte und darüber, ob irgendwann die eigene Heimat gewissermaßen austrocknen werde.
Der Harz und Südniedersachsen waren dafür besonders gute Beispiele, aber ähnlich ging es auch den Menschen in manchen anderen Regionen.
Etwa ein Jahrzehnt später hat sich die Stimmung spürbar gedreht. Mir begegnen ganz unterschiedliche Leute, die ein gesundes Selbstbewusstsein und und auch nicht wenig Zuversicht ausstrahlen.
Ein gutes Beispiel ist das Wendland, das vor zehn Jahren automatisch mit dem Streit um Gorleben gleichgesetzt wurde und ansonsten das Musterbeispiel einer Randlage zu sein schien. Heute ist davon nur noch wenig zu spüren – Gorleben ist kein Thema mehr, um so mehr der Zuzug von einigen tausend Neubürgerinnen und ‑bürgern aus Berlin und Hamburg.
Oder das Helmstedter Revier. Das Ende der Braunkohleförderung war ein harter Schlag für die Menschen dort und der Strukturwandel schien kaum zu schaffen. Heute spielt dieses Thema in den Gesprächen nur noch eine Nebenrolle und auch die Arbeitsmarktzahlen sind durchaus passabel.
Sogar Corona wird in diesen ländlichen Räumen zumindest auch als eine neue Perspektive angesehen. Ob nicht die Pandemie dazu führen werde, dass manche Großstädter lieber in den ländlichen Raum ziehen werden?
Ähnliche Gespräche habe ich auch schon vorher im Harz geführt, übrigens immer mit dem Zusatz, gute Daten- und Mobilfunknetze seien die Voraussetzungen. Denn ein gehöriges Maß von niedersächsischem Realismus ist bei diesen Gesprächen auch immer dabei.
Für mich sind das wertvolle Eindrücke. Gerade in einem großen Flächenland ist es wichtig, dass alle Teile des Landes eine gute Perspektive haben, nicht nur die Boom-Zonen. Und im 75. Jahr seines Bestehens scheint Niedersachsen in dieser Hinsicht gut unterwegs zu sein. Und so freue ich mich auf meine nächsten Touren auf Schusters Rappen.
Ich wünsche Euch eine gute Woche.