Nach zwei Jahren Zwangspause ist sie zurück, die Hannover-Messe. Vor fünfundsiebzig Jahren als erste Export-Messe von der damaligen britischen Militäradministration ins Leben gerufen, hat sie sich über die Jahrzehnte als wichtigste Industrieschau der Welt etabliert. Die Hannover Messe ist seitdem ein fester Termin für tausende von Akteuren aus der Wirtschaft, der Wissenschaft, den Medien und auch der Politik. Wer wirklich wissen will, wie es weitergeht, kommt kaum um die Hannover-Messe herum.
Jedenfalls ist das so gewesen, bevor Corona für zwei Jahre Pause gesorgt hat und deswegen bin ich natürlich sehr gespannt, ob der Neustart gelingen wird. Über zweitausendfünfhundert Aussteller aus den verschiedensten Ländern und ein prallvolles Vortragsprogramm sprechen jedenfalls schon einmal dafür.
Die noch nicht überwundene Pandemie und der Krieg in der Ukraine werden andererseits sicher auch bemerkbar sein, denn die wirtschaftliche Entwicklung ist davon stark betroffen. Die Auftragsbücher sind in vielen Unternehmen durchaus voll, aber gestörte Lieferketten und enorm gestiegene Preise bereiten in vielen Betrieben Sorgen. Gerade eine exportorientierte Wirtschaft braucht nun einmal stabile Rahmenbedingungen und die sind derzeit nicht in Sicht. Deswegen ist das Glas je nachdem derzeit eben halb voll oder halb leer.
Zum gleichen Zeitpunkt befinden sich viele Unternehmen in einem ganz grundsätzlichen Veränderungsprozess. Verantwortlich dafür sind zwei Mega-Themen, die Digitalisierung und der Klimaschutz.
Die Digitalisierung der industriellen Produktion ist vielfach schon weit vorangeschritten. „Industrie 4.0“ ist dafür ein deutsches Markenzeichen – übrigens ein Begriff, der auf der Hannover-Messe 2011 in einem Workshop geprägt worden ist und seitdem einen weltweiten Siegeszug angetreten hat. Wenn ich heute Industrieunternehmen besuche, ist eine weitgehend automatisierte Produktion und auch der Einsatz von Robotern keine Seltenheit mehr. Häufig erfolgt er übrigens gar nicht einmal auf Kosten von Arbeitsplätzen. Der Erfolg von solchen Veränderungen sichert oft mehr Beschäftigung an anderer Stelle.
Ein Ende dieser Revolution ist für viele Unternehmen noch nicht in Sicht, da müssen sie sich gleichzeitig einer vielleicht noch größeren Herausforderung stellen. Seit Beginn der Industrialisierung brauchen Industrieunternehmen viel, viel Energie. Bis jetzt wurde dieser Bedarf vor allem durch Öl, Gas und Kohle gedeckt oder durch Atomstrom. Aus allen diesen Energieträgern will Deutschland aussteigen; Europa soll bis 2045 klimaneutral werden. Das hat massive Konsequenzen für die Industrie – mit Sicherheit ein Hauptthema dieser Hannover-Messe.
Technisch sind viele Veränderungen möglich, aber wo kommt die erneuerbare Energie her, die künftig Grundlage der Versorgung sein soll? Und können deutsche Industrieunternehmen auf dieser Grundlage auch künftig auf vielen Märkten der Welt konkurrenzfähig sein? Das sind Fragen, die die Hannover-Messe beherrschen werden. Antworten wird in erster Linie die Politik geben müssen. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Energienetze muss es künftig viel, viel schneller gehen als bisher. Und auch für die Energiepreise wird es Absicherungen geben müssen, weil sonst viele Unternehmen die anstehenden Investitionen kaum stemmen können.
Andererseits winken nach einer erfolgreichen Transformation auch große Vorteile. Klimaneutrale Produkte werden in vielen Teilen der Welt sehr gefragt sein und Deutschland kann dabei eine Vorreiter-Rolle einnehmen. Und innerhalb Deutschlands rechnen wir uns in Norddeutschland noch einmal besondere Chancen aus. „Industrie folgt Energie“, sagt eine alte ökonomische Erfahrung und das führende Energie-Land in Deutschland kann künftig Niedersachsen sein, vor allem auch seine Küstenregion.
Es sind spannende Zeiten, politisch und wirtschaftlich. Die Hannover-Messe wird eines mit Sicherheit nicht sein – langweilig. Ich freue mich darauf.
Ich wünsche Euch eine gute Woche.