Der Donnerstag war einer der schlimmsten Tage, an die ich mich erinnern kann. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine war ein Schock und selten habe ich so viele entsetzte und fassungslose Gesichter gesehen wie an diesem Tag. Am ehesten vergleichbar war da noch der 11. September 2001, als die Türme des World Trade Center in New York nach einem Terrorangriff einstürzten.
Eingestürzt ist auch am Donnerstag auch die Vorstellung, durch ein System von internationalen Abkommen und dem gegenseitigen Versprechen, staatliche Grenzen nicht anzutasten, könnten wir einen Krieg in Europa ein für allemal ausschließen. Für Menschen meiner Generation waren diese gegenseitigen Zusicherungen zunächst ein riesiger Fortschritt: Aufgewachsen im Kalten Krieg mit hochgerüsteten Militärblöcken und einer durchaus realen Kriegsgefahr, hatten die Ostverträge vor fünfzig Jahren und das Helsinki-Abkommen wenige Jahre später Schritt für Schritt eine Entspannung und immer mehr Sicherheit in ganz Europa bedeutet. Vor etwa dreizig Jahren schien nach dem Fall der Mauer eine ganz neue Periode von Freiheit und Sicherheit angebrochen zu sein. Junge Menschen in Deutschland haben nie ein anderes Gefühl gekannt.
Seit Donnerstag ist das anders. Knapp zwei Flugstunden von Niedersachsen entfernt erleben Menschen genau jetzt hautnah den Schrecken des Krieges. Wladimir Putin hat die zentrale Schwachstelle dieses Systems gegenseitiger Zusicherungen aufgezeigt: Es setzt voraus, dass sich alle Beteiligten an die Vereinbarungen halten. Putin dagegen ignoriert schlichtweg Verträge und Recht, er setzt auf die Macht aus den Gewehrläufen. Das war nicht immer so, jetzt ist es aber die bittere Realität.
Deswegen wird es auch eine wesentliche Veränderung der deutschen Politik geben müssen. Waffenlieferungen in Krisengebiete waren bis jetzt ausgeschlossen, aber unter dem Eindruck der russischen Aggression ist es richtig, Waffen an die Ukraine zu liefern. Die Sperrung des deutschen Luftraums für russische Flugzeuge und der Ausschluss aus großen Teilen des internationalen Geldtransfersystems SWIFT sind weitere Beispiele für eine neue Sicherheitspolitik.
Dazu gehört auch ein anderer Umgang mit der Bundeswehr. Deren Kernauftrag, die Verteidigung der Landesgrenzen, schien sich lange Zeit überholt zu haben und auf dieser Grundlage ist die Bundeswehr finanziell immer schlechter behandelt worden. Es ist richtig, dass Olaf Scholz auch in dieser Hinsicht den Kurs ändert und die Bundeswehr wesentlich besser ausstatten will. Der Verteidigungsauftrag ist leider nicht überholt, sondern hoch aktuell.
Deutschland darf sich auch in Zukunft an keinen Aggressionen beteiligen, muss aber umgekehrt eben auch Aggressoren eine klare Ansage machen können, auch über die Diplomatie hinaus. Und das immer zusammen mit den anderen europäischen und demokratischen Partnern.
Es ist seit Donnerstag eine neue Welt, in der wir in Europa leben. Aber zweierlei bleibt: Der unbedingte eigene Friedenswille in unserem Land und die Bereitschaft, Menschen in Not zu helfen. Und das heißt: Menschen aus der Ukraine, die ihre Heimat verlassen müssen, werden wir in Niedersachsen Zuflucht bieten, das steht fest.
Wünschen wir uns eine bessere Woche, als es die letzte gewesen ist.