Am Sonntag war ein Jubiläum fällig, auf das wir alle sehr gut hätten verzichten können. Damals ist nämlich in Uetze (Region Hannover) die erste Corona-Infektion entdeckt worden und seitdem sind wir Teil der Pandemie, haben nie geahnte Erfahrungen machen müssen und stecken immer noch in dieser schwersten Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Wie fällt die Bilanz aus?
Schauen wir nur auf die Statistik, kann man sagen: Bei aller Tragik, die sich hinter manchen Zahlen verbirgt, hält sich Niedersachsen insgesamt vergleichsweise wacker. Bei den Infektionszahlen (mehr als 164 000) belegt Niedersachsen unter den sechzehn Ländern Rang 4, bei den Sterbefällen (mehr als 4400) Rang 3. Das ist alles schlimm genug und es lässt zum Beispiel viele Betroffene außer Acht, die unter schweren Nachwirkungen ihrer Infektion leiden. Und auch die größte Schwachstellesoll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden: Ein sehr großer Anteil der Sterbefälle stammt aus den Alten- und Pflegeheimen, es ist offenkundig nicht gut genug gelungen, diesen verletzlichsten Teil unserer Gesellschaft zu schützen. Dennoch, im internationalen und im nationalen Vergleich konnten die gesundheitlichen Gefahren bislang in Grenzen gehalten werden.
Wie es um die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schäden steht, lässt sich derzeit noch nicht genau sagen.
In der letzten Woche hatte ich zum Beispiel ein Gespräch mit Abiturienten in Salzgitter und manche der Berichte, die ich von den Jugendlichen gehört habe, sind mir unter die Haut gegangen. Da war von Angst und Überforderung die Rede und der großen Unsicherheit, was diese Krise mit der eigenen Zukunft macht. Das war gewiss nur ein klitzekleiner Ausschnitt dessen, was viele Menschen derzeit umtreibt.
Und in wirtschaftlicher Hinsicht sollten wir uns nicht davon täuschen lassen, dass die Steigerung der Arbeitslosenzahlen bis jetzt einigermaßen im Rahmen geblieben ist. Kurzarbeit verhindert auch in dieser Krise, dass sich Unternehmen zu schnell von Beschäftigten trennen, aber sie kann eben nur eine Brücke sein. Ob Unternehmen eine Perspektive haben oder nicht, wird sich in den nächsten Monaten entscheiden. Die Pflicht zur Anmeldung einer Insolvenz ist jedenfalls bis Anfang April ausgesetzt.
Und damit bin ich bei der entscheidenden Frage: Wie geht es denn im zweiten Jahr weiter? Leicht wird es nicht, das zeigen auch die gerade trotz des Lockdowns wieder ansteigenden Infektionszahlen. Vor allem die Verbreitung von deutlich ansteckenderen Mutationen des Coronavirus machen uns Sorgen. Gleichzeitig gibt es aber auch unübersehbare Anzeichen einer nachhaltigen Verbesserung. Beim Impfen geht es spürbar vorwärts und auch die Zahlen in Niedersachsen (über eine halbe Million Impfungen) nähern sich dem Bundesdurchschnitt immer stärker an. Vor allem bieten aber auch die neuen Schnell-Tests deutlich bessere Möglichkeiten, Klarheit zu schaffen und Infektionsketten früher zu erkennen.
Trotzdem: Es bleibt gerade in den nächsten Wochen ein Spagat zwischen dem Risiko einer dritten Welle und der Corona-Müdigkeit immer größerer Teile unserer Gesellschaft. Am Mittwoch steht deswegen eine Sitzung an, die sehr wichtig werden wird. Bund und Länder wollen ihren weiteren Kurs in der Pandemiebekämpfung abstecken. Ein schlichtes „weiter so“ kann es nicht sein, das liegt auf der Hand. Es geht darum, zugleich mehr Freiheit und mehr Sicherheit zu schaffen. Eine schwierige Aufgabe, die gelingen muss, wenn das erste Corona-Jubiläum auch das letzte bleiben soll.