Ab heute darf ich wieder in die freie Wildbahn. Nach zehn Tagen Quarantäne und dem viel zitierten „milden Verlauf“ reicht es jetzt auch und ich freue mich, dass sich mein Aktionsradius wieder deutlich erweitert. Aber so viel Glück haben eben nicht alle und Omikron ist mitnichten eine Bagatelle, dafür habe ich in den letzten Tagen viel zu viele Berichte von Bekannten bekommen, die das Virus auf die eine oder andere Weise ganz anders mitgenommen hat.
Vor diesem Hintergrund gab es in der letzten Woche einen echten Tiefpunkt, das war der Donnerstag. Diese Beschreibung trifft es nicht für meine Beschäftigung an diesem Tag, denn ich war elf Stunden in Videokonferenzen unterwegs, an deren Ende sich Bund und Länder über eine faire Verteilung der Kosten für die geflüchteten Menschen aus der Ukraine verständigt haben. Es geht also, wenn man will, obwohl beim Geld ja ansonsten bekanntlich die Freundschaft aufhört.
Das Gegenteil war am gleichen Tag im Bundestag zu besichtigen, wo nach monatelangen Diskussionen die Corona-Impfpflicht zu Grabe getragen worden ist. Mehrheiten gab es nur für die Ablehnung von Anträgen und richtig freuen konnte sich am Ende nur die AfD. Dabei besteht unter den Abgeordneten eigentlich eine satte Mehrheit für eine Impfpflicht, denn außer vielen MdBen aus den Reihen der Ampelkoalition gibt es auch etliche aus der Unionsfraktion, die nicht auch noch einen dritten Corona-Winter erleben wollen. Nachdem das Thema zuerst monatelang zerredet worden ist, haben dann aber die Taktiker der Impfpflicht den Rest gegeben. Die Ampel konnte sich intern nicht einigen und die Union wollte das wider der eigenen Überzeugung vieler Abgeordneter mal so richtig auskosten. Ein echtes Trauerspiel!
Jetzt haben wir einen Totalschaden, dessen eigentliche Konsequenzen wohl erst in etwas mehr als einem halben Jahr deutlich werden. Denn spätestens im Herbst – so jedenfalls die allermeisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – wird es wieder losgehen mit der Pandemie und einer neuen Mutation oder einer alten oder womöglich sogar einer Mischung von neu und alt. Und ob es eine einigermaßen erträgliche Variante wird oder eine höchst gefährliche, ist komplett offen. Klar ist dagegen, dass sich bis dahin bei der Impfquote nichts Sonderliches tun wird, denn mehr als ein Fünftel der Bevölkerung ist nach wie vor nicht geschützt und es gibt überhaupt keinen Grund, warum sich das in der warmen Jahreszeit nennenswert ändern soll.
Das ist es aber noch nicht einmal alleine. Anders als in den letzten beiden Jahren haben wir nämlich keine Schutzinstrumente zur Hand, die im Falle eines Falles Kontakte reduzieren und Infektionen verhindern könnten. Durch die Änderung des Infektionsschutzgesetzes gibt es diese Möglichkeiten schlichtweg nicht mehr oder höchstens in homöopathischen Dosen. Ob sich daran etwas ändern lässt, wenn die Infektionslage sich wieder verschärft, bleibt abzuwarten. Vorbeugung sieht jedenfalls anders aus, das steht fest.
Keine Impfpflicht, keine Instrumente – so sieht es also aus am Ende des zweiten Corona-Winters und das ist eine schwere Hypothek für die nächste Infektions-Saison. Und man fragt sich, warum eigentlich bei der Pandemiebekämpfung nicht dasselbe möglich sein soll, was wir derzeit bei der Bewältigung der Folgen aus dem Ukraine-Krieg erleben: Gemeinsam Verantwortung und Kompromissbereitschaft an den Tag zu legen. Dafür ist es ja vielleicht nicht zu spät und es ist allemal klüger, als in ernsthafte Probleme hineinzuschliddern und hinterher die Schuldigen zu suchen.
Ich wünsche Euch eine schöne Woche.