Raus mit Applaus? Wohl nicht, die politische Sommerpause in Berlin hat eher mit allgemeiner Erleichterung begonnen. Und vielleicht ist damit nicht nur die Hoffnung verbunden, endlich mal wieder durch zu schnaufen, sondern auch einmal in Ruhe darüber nach zu denken, wie es gerade um unsere Gesellschaft bestellt ist.
Am Ende dieses Halbjahres steht ein Zuspruch für die AfD, der am Jahresanfang kaum vorstellbar erschien. Und wenn derzeit eine weitere Umfrage die AfD vor der SPD sieht, scheint das kaum noch eine besondere Nachricht zu sein. Alleine dieser Umstand spricht dafür, dass da gerade etwas richtig schiefläuft.
Diese Entwicklung auf das Heizungsgesetz zu reduzieren, das jetzt seit sage und schreibe drei Monaten die Diskussion dominiert, greift aus meiner Sicht deutlich zu kurz. Es ist eher ein Beispiel für eine Problematik, die deutlich darüber hinaus geht.
Wir leben in einer Zeit grundlegender Veränderungen – Klimawandel, Globalisierung, Digitalisierung, Krieg in Europa, Zuwanderung und vieles andere mehr. Das alles geschieht gleichzeitig und prasselt auf unsere Gesellschaft geradezu ein. Dass viele Bürgerinnen und Bürger darauf mit Sorge und Verunsicherung reagieren, ist nicht überraschend, sondern schlichtweg verständlich.
Sie selbst können darauf aber so gut wie keinen Einfluss nehmen, so ist ihr Eindruck, und auch die demokratischen Institutionen vermögen es derzeit offenbar nicht, vorhandene Sorgen und Befürchtungen aufzulösen. Das ist die Grundlage, auf der allzu viele Menschen unserer Demokratie zunehmend kritisch begegnen.
Die Debatte um das Heizungsgesetz scheint der beste Beleg für diese Sichtweise zu sein. Am Anfang stand ein Gesetzesentwurf, auf den die Öffentlichkeit in keiner Weise vorbereitet worden war, obwohl das Thema erhebliche praktische Folgen für fast alle Bürgerinnen und Bürger hat. Anschließend ein monatelanger, öffentlich zelebrierter Streit innerhalb des Regierungslagers, dem Außenstehende vielfach kaum folgen konnten. Und zum Schluss des Halbjahrs immer noch keine Entscheidung, weil das Bundesverfassungsgericht das Gesetzgebungsverfahren erst einmal gestoppt hat. Dass der Gesetzesentwurf in der Zwischenzeit wesentlich verbessert worden ist, dringt dabei kaum noch durch.
Das alles nützt der CDU in den Umfragen nichts , der AfD dagegen jede Menge. Die meisten derjenigen, die derzeit Sympathien für Rechtsaußen äußern, glauben selbst nicht, dass die AfD die bestehenden Probleme besser löst. Aber immerhin wird sie als ein Ventil angesehen, den eigenen Unmut zum Ausdruck zu bringen.
Genug Stoff zum Nachdenken also und genug Anlass, daraus zu lernen. Zum Beispiel, dass interne Streitigkeiten viel Schaden anrichten können, wenn sie in aller Öffentlichkeit ausgetragen werden. Dass Regierungen viel Sorgfalt auf die Vorbereitung und Begründung von Vorhaben verwenden und genug Zeit für die Diskussion geben müssen. Vor allem auch, berechtigte Kritik schon im Vorfeld aufzunehmen und auch die eigenen Vorstellungen entsprechend zu ändern. Kurzum: Das Vertrauen in die Institutionen zu stärken und gleichzeitig die Erfahrung möglich zu machen, dass eine konstruktive Diskussion etwas bewirken kann.